Zu viel Zucker ist schlecht – das ist seit Jahren durch zahlreiche Studien
belegt. Vor allem die Entstehung sogenannter „Zivilisationskrankheiten“
wie Herz- und Gefäßkrankheiten, Bluthochdruck, Übergewicht und
Altersdiabetes wird damit in Verbindung gebracht. Eine Studie der
Arbeitsgruppe um Dr. Tina Wenz, Institut für Genetik und CECAD (Cellular
Stress Responses in Aging-Associated Diseases), zeigt nun, dass Zucker
auch gut sein kann. In bereits gealterten Organismen kann eine
glukosereiche Ernährung den Gewebezustand verbessern und sogar das Leben
verlängern. Dies zeigt eine Studie, die heute (18.09.2014) im renommierten
Wissenschaftsjournal Nature Communications publiziert wurde.
Mit zunehmendem Alter häufen sich in Zellen Schäden unterschiedlichster
Art an. Eine typische Schädigung betrifft hierbei die Enden der
Chromosomen (Telomere). Sie sind quasi die „Schutzkappen“, die das Erbgut
schützen. Seit etwa zehn Jahren gehen Wissenschaftler davon aus, dass es
einen Zusammenhang zwischen der Länge dieser Telomere und der
verbleibenden Lebenserwartung von Zellen gibt.
Für zu kurze Telomere gibt es einen Reparaturmechanismus, die sogenannte
Teleomerase. Sie setzt zu kurze Telemere wieder in Stand, so dass sich die
Zelle weiter teilen – weiter leben kann. Die Emmy Noether Gruppen
Leiterin, Dr. Tina Wenz, konnte nun zum ersten Mal im Modellorganismus
zeigen, dass Gewebe, die von der Telomerase-Verkürzung betroffen sind,
einen erhöhten Energiebedarf haben, der zur vorzeitigen Alterung beiträgt.
Die Schädigung der DNS ruft hierbei eine Aktivierung des Energiehaushaltes
hervor. Ist der erhöhte Bedarf an Energie nicht durch die Ernährung
gedeckt, kann dies zu einem Energiemangel und damit zu beeinträchtigter
Gewebefunktion, Gewichtsverlust und schlussendlich zu vorzeitigem Tod
führen. Wie das Team um Dr. Wenz feststellen konnte, beruht dies auf einer
Blockierung bekannter alter-assoziierte Signalwege (IGF, mTOR) ausgelöst
durch die DNS-Schädigung.
Diese molekularen Erkenntnisse erlauben nicht nur die funktionelle und
molekulare Verknüpfung dieser Signalwege miteinander, sondern beschreiben
zudem zum ersten Mal die molekularen Grundlagen für den veränderten
Stoffwechsel im alternden Gewebe und damit für die veränderten Nährstoff-
Anforderungen. Diese Veränderung konnten die Wissenschaftler ebenfalls in
alternden menschlichen Zellen nachweisen.
Mit Blick auf eine Therapie-Entwicklung, konnten die Forscher zeigen, dass
eine erhöhte Glukosegabe den energetischen Engpass behebt und damit die
gestörten Signalwege und den mitochondrialen Energiehaushalte reaktiviert.
Durch diese Reaktivierung verhindert die zusätzliche Glukose-Gabe die
pathologischen Folgeschäden und erhöht signifikant die Lebensdauer.
Die Resultate dieser Arbeit könnten von weitreichender Bedeutung für die
Behandlung von geriatrischen Patienten sein sowie für Patienten, deren
Erkrankung mit einer DNS-Schädigung einhergeht. Diese Patienten leiden oft
unter Mangelernährung und verringertem Körpergewicht. Beides Parameter,
die mit verringerter Lebenserwartung einhergehen.
„In den vergangenen Jahren haben eine Reihe von experimentellen und
klinischen Daten gezeigt, dass ein Übermaß an Kalorienzufuhr zu
Übergewicht und Insulinresistenz, aber auch zu vorzeitiger Alterung und
Demenz führen kann. Insofern sind diese neuen Daten überraschend“, so Dr.
Michael Faust, Leitender Oberarzt am Zentrum für Endokrinologie,
Diabetologie und Präventivmedizin der Uniklinik Köln. „Allerdings ist auch
bekannt, dass gerade in der älteren Bevölkerung Fehl- und Unterernährung
nicht selten sind – und dass die Betroffenen eine ungünstige Prognose
haben. Folgt man den nun vorliegenden Ergebnissen, könnte ihnen eventuell
mit einfachen Mitteln geholfen werden –zum Beispiel mit einer zusätzlichen
Zuckerlösung“, so Dr. Faust. Vielleicht komme es schlicht auf das Timing
an, so der Mediziner. Während ein Übermaß an Kalorien dem gesunden
Organismus schade, könnte es für bereits gealterte Zellen möglicherweise
von Vorteil sein.
Natürlich können die Ergebnisse der Modellorganismen nicht eins zu eins
auf den Menschen übertragen werden, so Dr. Faust. Hierbei müsse
insbesondere beachtet werden, dass viele ältere Menschen an Diabetes
Mellitus Typ II leiden. Diesen käme eine zusätzliche Zuckerzufuhr wohl
nicht zu Gute. Für alle anderen bestünde aber Hoffnung auf Besserung ihres
Zustandes, wenn sich die Ergebnisse in klinischen Studien am Menschen
reproduzieren ließen.
Originalarbeit:
Pavlos Missios, Yuan Zhou, Luis Miguel Guachalla, Guido von Figura, Andre
Wegner, Sundaram Reddy Chakkarappan, Tina Binz, Anne Gompf, Götz
Hartleben, Martin D. Burkhalter, Veronika Wulff, Cagatay Günes, Rui Wang
Sattler, Zhangfa Song, Thomas Illig, Susanne Klaus, Bernhard O. Böhm, Tina
Wenz, Karsten Hiller & K. Lenhard Rudolph. Glucose substitution prolongs
maintenance of energy homeostasis and lifespan of telomere dysfunctional
mice. Nature Communications 2014, doi: 10.1038/ncomms5924
Für Rückfragen:
Christoph Wanko
Pressesprecher Uniklinik Köln
Stabsabteilung Unternehmenskommunikation und Marketing
Telefon: 0221 478-5548
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Quelle: IDW